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    9 Bergregeln und Verhaltensweisen bei Wanderungen in Norwegen

    Warum gibt es die neun Bergregeln bzw. Verhaltensweisen für Wanderungen?

    Die atemberaubenden Fotos zeigen es immer wieder: Norwegen ist ein atemberaubendes Land, die Landschaften sind wunderschön, die Aussichten meist spektakulär. Und nicht zuletzt mit Diensten wie Instagram haben die „Muss“-Fotos in Norwegen in den letzten Jahren stark zugenommen. Während bspw. der Preikestolen bereits bei unserem Besuch 2006 gut besucht war, so ist er inzwischen eher überlaufen. Auch die Trolltunga ist natürlich ein spektakuläres Motiv, mit dem man vor Familie und Freuden prahlen kann (wenn man das denn nötig hat…).

    Das Problem: Viele Touristen und Norwegen-Reisende unterschätzen die teilweise anstrengenden Touren und überschätzen zugleich ihre eigenen Fähigkeiten.

    Immer wieder können der (deutschen) Presse Unglücksmeldungen entnommen werden. 2002 rutschte ein polnischer Tourist den Storseterfossen hinunter. 2014 wurde ein Ehepaar vor der Augen der eigenen Kinder am Nigardsbreen erschlagen. Erst kürzlich starb im August 2018 dort auch ein Österreicher, der an einer abbrechenden Gletscherkante in den Abgrund stürzte. Es gibt viele weitere ähnliche Meldungen.

    Ist Norwegen also nicht nur ein schönes, sondern auch ein gefährliches Land? Nein! Es liegt in fast jedem Fall an den Menschen selbst. Sie klettern über Absperrungen, ignorieren Warnungen, sind nicht entsprechend vorbereitet und tragen die falsche Kleidung. In Zeiten von Instagram und Facebook sind sie außerdem auf der Suche nach dem nächsten spektakulären Selfie, mit dem man herumprotzen kann.  Auch wir konnten ein solches Verhalten selbst schon des Öfteren bei unseren Touren beobachten, z. B. bei der Preikestolen-Wanderung. Mancher Tourist meinte, die Tour könne er doch mal locker in Badelatschen und Flip-Flops bewältigen. Solche Verhaltensweisen sind nicht nur dumm, sie gefährden die Personen selbst aber auch die Mitmenschen um sie herum.

    Um ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern: Weißt Du, warum Du auf Fjordblick noch keine Fotos oder Beiträge zur Trolltunga gefunden hast? Ganz einfach: Obwohl wir bereits in der Region um Odda waren, haben wir die Tour zur inzwischen sehr beliebten Trollzunge nicht gemacht (Eigentlich wird sie eher schon übertrieben gehypt: Inzwischen gibt es Warteschlangen von Menschen. Jeder wartet darauf, selbst ein Foto schießen zu können). Warum wir die Tour nicht unternommen haben? Die Wanderung ist uns mit 10 bis 12 Stunden und einer Länge von fast 30 Kilometern zu lang. Wir wandern und „trainieren“ vergleichsweise zu wenig, als dass wir diese Tour aus unserer Sicht adäquat bewältigen könnten. Auch wenn wir richtig Bock hätten, einmal vorne an der Kante zu stehen oder zu sitzen – schwindelfrei sind wir ja 😉 – so müssten wir vielleicht auf halber Strecke umdrehen…

    Im Falle der Trolltunga werden mittlerweile zum Beispiel auch geführte Wanderungen* angeboten. Dies ist eine prima und sichere Alternative.

    Fast alle Unfälle und Gefahren ließen sich vermeiden, wenn jeder die neun einfachen Bergregeln verinnerlicht und berücksichtigt. Diese sollten außer in den Bergen natürlich auch im restlichen Teil der Natur beherzigt werden. Der norwegische Wanderverein (Den Norske Turistforening, kurz DNT) hatte in Zusammenarbeit mit dem Røde Kors (Rotes Kreuz) diese Regeln bereits in den 1950er-Jahren in Folge mehrerer schwerer Unfälle und Todesfälle erstellt. Die Fjellvettregler, wie die Regeln des Bergkodex auf Norwegisch heißen, findet man vielerorts zum Nachlesen. 2016 gab es eine Auffrischung, weil im Zuge des technologischen Fortschritts von Smartphones und sonstiger Ausrüstung eine Aktualisierung notwendig wurde.

    Regel 1: Kenne Deine Grenzen. Keine Wanderung ohne ausreichendes Training

    Du willst bei Deiner nächsten Tour in den Norwegen die eine oder andere Wanderung auf einen Berg oder zu einem Wasserfall unternehmen? Super! Aber tritt bitte nur Wanderungen an, deren Schwierigkeitsgrad Du auch beherrschen kannst und für die Du über ausreichend Kondition verfügst. Als Anfänger oder Gelegenheits-Wanderer gleich eine 10 Stunden Wanderung angehen? Keine gute Idee.

    Es bietet sich ferner an, schon vor dem Reiseantritt zu Hause die ein oder andere Wanderung als Probelauf zu unternehmen. Zum einen trainierst Du damit ein wenig, um Dich körperlich vorzubereiten. Zum anderen kannst Du so auch Deine eigene Kondition ausloten. Gerade wenn Du längere Wanderungen unternehmen willst und mehrere Kilogramm Gepäck mit Dir trägst, solltest Du den Unterschied zu „kein“ oder „wenig“ Wandergepäck nicht unterschätzen. Mehrere Stunden mit 10 oder mehr Kilogramm Zusatzgewicht auf den Schultern kann für Ungeübte schnell sehr kräftezehrend werden.

    Außerdem solltest Du immer einen Plan B parat haben. Diesen musst Du unter Umständen aus der Tasche ziehen können, wenn etwa das Wetter umschlägt und Du deinen ursprünglichen Weg nicht wieder zurückgehen kannst

    Regel 2: Informiere andere über Deine Wanderung

    Vor jeder Wanderung solltest Du andere darüber informieren, wann und wohin Du wandern willst. Wenn keiner weiß, dass Du unterwegs bist, kann Dich auch niemand vermissen. Dabei solltest Du aber zwei Dinge beachten, um unnötige Suchaktionen zu vermeiden.

    • Lege nicht zu enge Zeitfenster fest. Bspw. „Ich bin bis genau 18 Uhr zurück“. Plane Extrazeit ein, damit niemand auf Dich wartet. Erst wenn das Karenzfenster überschritten wird, soll die informierte Person aktiv werden.
    • Verabrede nicht, dass Du Dich bspw. vom Mobiltelefon aus meldest. Akkus können erschöpft sein oder Du hast keinen Empfang in den Bergen.

    Regel 3: Immer auf das Wetter achten – Es kann sich jederzeit ändern!

    Grundsätzlich solltest Du vor Wanderungen immer die Wettervorhersagen beachten. Trotzdem kannst und darfst Du Dich auf diese nicht verlassen. Nur weil ein sonniger Tag angekündigt wurde und es zu Beginn Deiner Wanderung auch danach aussieht, muss es nicht so bleiben. Aufgrund der norwegischen Topografie z. B. durch die Berge kann es schnell Wetterumschwünge geben. Gerade scheint noch die Sonne und es ist angenehm warm, schon regnet es im nächsten Moment und die Temperatur nimmt rapide ab. Wenn Du schon die eine oder andere Wanderung in Norwegen unternommen hast, weißt Du was gemeint ist.

    Regel 4: Auch auf kurzen Touren für Unwetter und Kälte vorbereitet sein

    Nahtlos an Regel 3 knüpft damit die vierte Regeln an. Selbst für kurze Wandertouren solltest Du immer entsprechende Ausrüstung dabei haben. Also nicht einfach im T-Shirt loswandern, sondern in den Rucksack auch eine wasser- und windabweisende Jacke einpacken, die Dich zudem warmhält. Zu Deiner Packliste sollte außerdem Verpflegung in Form von Trinken und Essen gehören. D. h. Wasserflaschen und Snacks wie Kekse, Brote oder Käse solltest Du immer dabei haben. Weitere Tipps für Wanderungen findest Du in unserer Packliste.

    Regel 5: Frage Einheimische und Ortskundige – Sie kennen die Gegend am besten

    Wenn möglich, solltest Du vor Deiner Wanderung Dich immer bei Einheimischen und Ortskundigen über die geplante Wanderung erkundigen. Diese kennen die lokalen Besonderheiten am besten, sind die Wege meist selbst schon zig Mal gelaufen. Außerdem können Sie oft das Wetter sehr gut einschätzen und wissen, wie schnell es umschlagen kann. Da die Norweger normalerweise sehr auskunftsfreudig sind, bekommst Du auch immer wieder so manchen Tipp. Hinweise wie Du Dir den Weg einfacher machen kannst oder wo es schöne Plätze zum Ausschauen oder Fotografieren gibt, sind doch jederzeit willkommen. J

    Regel 6: Karte und Kompass nutzen

    Oft sind die Wanderwege zu beliebten Zielen in Norwegen mit einem roten „T“ markiert. Der norwegische Wanderverein kennzeichnet die Wege im Gebirge auch mit Steinpyramiden. Dennoch solltest Du jederzeit in der Lage sein, Dich selbständig zu orientieren. Du solltest Du jeder Zeit wissen, wo Du Dich befindest. Ein Kompass und Wanderkarte mit entsprechendem Maßstab solltest Du also dabei haben. Man kann auch ein GPS-Gerät oder Smartphone mitnehmen, aber immer bedenken: Nicht überall hat man guten Empfang. Auch können Akkus und Batterien schnell mal leer sein.

    Regel 7: Niemals alleine gehen

    Du solltest Wanderungen immer mindestens zu zweit unternehmen. Es reicht aus, dass Du zum Beispiel umknickst und nicht alleine weiterlaufen kannst. Dein Partner kann Dich stützen oder im Zweifelsfall immer noch Hilfe holen. Es muss aber nicht mal etwas passieren: Sich gegenseitig bei der Wanderung unterstützen. Sei es Felsen rauf oder Felsen runter – eine „dritte Hand“ kann jederzeit hilfreich sein. Wir haben uns bei unseren Touren schon so oft gegenseitig unterstützt oder abgestützt. Alleine vollkommen unvorstellbar.

    Und außerdem: Mit mehren macht so eine Wanderung doch in den meisten Fällen auch gleich viel mehr Spaß. Auch, weil Du nicht der alleinige „Packesel“ bist und Ausrüstung auf mehrere Schultern verteilt werden kann. J

    Regel 8: Im Zweifelsfall umkehren – Es ist keine Schande!

    Wenn Du während Deiner Wanderung feststellst, dass die Kondition doch nicht reicht oder sich eine Wetteränderung anzukündigen scheint, sei bitte weise: Dreh um. Denke immer dran, Du musst den Weg auch noch wieder zurücklegen. Und es ist keine Schande, auf halbem Weg umzudrehen. Eine weitere Gelegenheit für die Wanderung kommt bestimmt und im Zweifelsfall muss man halt schweren Herzens darauf verzichten. Denn letztlich sind kein Ausblick oder Foto es wert, dass Du Dich oder andere dafür einer Gefahr aussetzt. Letztlich müssen sich nämlich auch Helfer in Gefahr begeben, um „Unbelehrbare“ zu retten.

    Regel 9: Kräfte einteilen. Suche Schutz oder grabe Dich notfalls ein (Winter)

    Die neunte und letzte Regel knüpft teilweise an die achte Regel an. Stelle stets sich, dass Du dir sowohl Deine als auch Deinen Proviant gut einteilst. Beides sollte immer für den Rückweg reichen.

    Ansonsten bezieht sich der Teil  mit „grabe Dich ein“ auf die Wintersaison. Sollte keine Hütte in greifbarer Nähe sein, musst Du Dich notfalls bei einem anrückenden Schneesturm eingraben, um diesen sicher zu überstehen…

    Fazit zu den Bergregeln

    Mit den neuen Bergregeln des norwegischen Wandervereins bekommst Du lieber Norwegen-Enthusiast wesentliche Verhaltensregeln an die Hand gereicht. Zeige bitte Demut gegenüber der Natur und überschätze Dich nicht.

    Wenn ein jeder von uns diese Regeln respektiert und verinnerlicht, haben alle etwas davon und wir können uns darauf besinnen, die Schönheit dieses fantastischen Landes genießen!

    Tobias Steinicke
    Tobias Steinickehttp://www.tobbis-blog.de
    Tobias und seine Familie sind begeisterte Norwegen-Enthusiasten, lieben die dortige wunderschöne Natur und fotografieren gerne.Weitere Informationen über Tobias findest Du auf seinem , Facebook oder Instagram

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